Das Henne-Ei-Dilemma der Nachhaltigkeit in der Tagungshotellerie

Theresa Troglauer, Hospitality- & MICE-Expertin
Theresa Troglauer, Hospitality- & MICE-Expertin
Als sich vor einigen Jahren der Begriff „Green Meetings“ in der MICE-Branche und damit auch in der Tagungshotellerie etablierte, war ich zunächst sehr positiv gegenüber dieser Entwicklung gestimmt. Ehrlich gesagt: Bis dahin hatte ich mich noch recht wenig mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ und seiner Bedeutung für die Tagungshotellerie auseinandergesetzt. Das sollte sich nun ändern.

Zu diesem Zeitpunkt spezialisierte ich mich als Sales Managerin in einer kleinen Hotelkette mit mehreren Tagungshotels gerade auf das Segment „MICE“ (Meetings, Incentives, Conferences, Events). Gezielte Anfragen nach „Green Meetings“ oder konkrete Wünsche nach Nachhaltigkeitsmaßnahmen von Kundenseite gab es in unserem Betrieb bis dato jedoch nicht. Vielmehr suggerierten sogenannte Trainer und Berater, Fachpresse und Trend-Experten, dass mit dem Angebot von „Green Meetings“ neue Zielgruppen erreicht und höhere Umsätze erzielt werden könnten – und das ohne großen Aufwand. Ich erinnere mich noch an Beispiele, dass Notizblöcke nicht mehr standardmäßig auf den Tagungstischen verteilt werden oder dass zur Kaffeepause saisonales Obst angeboten werden sollte. Dazu eventuell noch eine Möglichkeit, als Rahmenprogramm in der Nähe des Hotels eine Blumenwiese zu säen oder einen Zaun zu reparieren und schon ließe sich eine Green-Meeting-Tagungspauschale kreieren.

Sorry, aber so leicht ist das nicht.

Das Kreieren dieser „Green-Meeting-Pauschale“ zwar schon; nur handelt sich dabei in den allermeisten Fällen eher um Greenwashing – ob bewusst oder aus Unwissenheit – als um nachhaltige Veranstaltungen und hat mit echter Nachhaltigkeit in der Tagungshotellerie nur äußerst wenig zu tun.

Doch die Durchführung einer Veranstaltung ist so viel komplexer und enthält so viel mehr Komponenten und unterschiedliche Leistungen als eine einfache Übernachtung im Hotel; denn diese ist oftmals nur ein Teil davon. Gleichzeitig möchten viele Hoteliers mit einem möglichst breiten Angebot eine optimale Auslastung und höhere Umsätze erreichen.

Ein aktueller Blick auf die Kundenseite zeigt, dass die Bedeutung von Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen eine gewisse Wichtigkeit einnimmt und Nachhaltigkeitsaspekte auch die Veranstaltungsplanungen beeinflussen (Quelle: Meeting- & Event-Barometer 2023, EITW). Beeinflussen heißt aber noch nicht entscheiden. In persönlichen Gesprächen mit Veranstaltungsplanern namhafter Unternehmen und Agenturen kristallisiert sich immer wieder heraus, dass oftmals nach wie vor die Gesamtkosten, der Hotelstandort sowie der Qualitätsstandard die entscheidendsten Faktoren für oder gegen die Buchung eines Tagungshotels darstellen.

Das heißt im Klartext: Selbst Unternehmen mit CSR-Berichtspflicht richten ihre Anfragen nicht zwingend nach Nachhaltigkeitsaspekten aus, weil für diese Veranstaltung bestimmte andere Kriterien dominieren. Oder sie entscheiden sich bewusst gegen das Tagungshotel mit dem im Vergleich besten Nachhaltigkeitsaspekten, weil der Gesamtpreis zu anderen, weniger nachhaltig aufgestellten Hotels zu hoch ist.

Warum sollten wir also mit Angeboten für nachhaltige Veranstaltungen beschäftigen?

Weil die gesellschaftliche Erwartung und damit auch die der Teilnehmenden von Veranstaltung nach möglichst nachhaltigen Kaffeepausen und Lunchbuffets, Dekorationen und Beleuchtung, Umgang mit Verbrauchsmaterialien und Müll, Erreichbarkeit und Anbindung, Reinigungszyklen und -mitteln sowie allgemeiner Transparenz steigt und weiter steigen wird. Was wäre, wenn wir nicht nur ein attraktives Angebot für den Veranstalter bieten, sondern gleichzeitig die Erwartungen der Teilnehmenden übertreffen könnten? Was wäre, wenn wir damit zu einer höheren Zufriedenheit mit der Veranstaltung beitragen und nebenbei neue Multiplikatoren für unser Tagungshotel gewinnen könnten? Was wäre, wenn wir jede noch so kleine Nachfrage nach Erfahrungswerten zu Energieverbräuchen oder CO2-Emissionen bei ähnlichen Veranstaltungen, regionalen Lieferanten und externen Dienstleistern beantworten könnten? Dann spielt es keine Rolle, ob wir als Tagungshotel die „Henne“ oder das „Ei“ symbolisieren. Dann spielt es keine Rolle, ob wir es „Green Meeting“ nennen oder nachhaltig durchgeführte Veranstaltungen in der Tagungshotellerie zum „New Normal“ werden.

Über die Autorin:

Theresa Troglauer ist Hospitality- & MICE-Expertin mit langjähriger Vertriebserfahrung in der Privat- und Kettenhotellerie und Abschlüssen in Tourismusmanagement B.A. sowie Hospitality Management M.A. Heute unterstützt und berät sie als Sparringspartnerin unter anderem Hotels, touristische Organisationen und Tech-Start-ups bei strategischen wie operativen Themen im Bereich MICE, Sales, Digitalisierung und den Besonderheiten der Hospitality-Branche. Außerdem liegt ihr Nachwuchsförderung am Herzen: Sie ist darüber hinaus als Lehrbeauftragte und Dozentin an Hochschulen tätig und interessiert sich für die bauliche (Weiter-)Entwicklung von Hotelimmobilien aus der Mitarbeitenden- und Gastperspektive.

Theresa Troglauer

Eine Antwort

  1. Sehr geehrte Frau Troglauer,

    wie ich Ihrem Artikel entnehme liegt Ihnen „echte Nachhaltigkeit“ am Herzen. Warum ich mich an Sie wende: Wir haben hier an unserem Fraunhofer Institut in Mainz eine neue Methode entwickelt, Papier und Holz allein mit elektrischem Strom zu bleichen. Diese neue Methode wäre potentiell sehr gut auf weiße Wäsche (Tischdecken etc.) anwendbar. Beim Einsatz von Ökostrom ist diese Methode CO2neutral und Chemikalien werden nicht verbraucht.

    Sie haben doch Verbindung zu Großwäschereien und vielleicht wäre es sinnvoll mit den Betreibern ein – selbstverständlich unverbindliches – orientierendes Gespräch darüber zu führen, ob ein Interesse bestehen könnte, dieses Verfahren experimentell auf zu bleichende Wäsche anzuwenden. Für solche Projekte stehen unter gewissen Voraussetzungen sogar staatliche Fördergelder zu Verfügung. In jedem Fall wäre ein solches Erprobungsprojekt eine gute Werbung für die beteiligten Unternehmen und es würde sich um „echte Nachhaltigkeit“ handeln.

    Könnten Sie mir einen Kontakt zu jemandem vermitteln, der sich für das Thema interessieren könnte?

    Freundliche Grüße aus Mainz, Peter Wernig

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