Das „S“ in ESG – eine Reporting-Grundlage der Europäischen Union zum Thema Nachhaltigkeit – ist leider noch stumm!

Sascha Dalig
Sascha Dalig
ESG, die ab 2024 viele Unternehmen betrifft. Sie werden berichten müssen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um den Vorgaben der EU in Bezug auf Ecological (Ökologisch), Social (Sozial) und Governance (Lenkung, Führung) gerecht zu werden.

Während der Aspekt „E“ (Ökologie) in vielen Unternehmen schon Kennzahlen bekommen hat, Energieverbräuche gemessen und positiv beeinflusst werden, Kreislaufwirtschaft diskutiert und Maßnahmen umgesetzt werden und der Aspekt „G“ (Führung) durch unterschiedliche unternehmensinterne Richtlinien zu Einhaltung von Vorschriften (Compliance) und Risiko Management verschärft werden, ist das Augenmerk auf den Aspekt „S“ (Sozial) noch nicht so ausgeprägt.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Soziale im Betrieb sind in vielen Vorschriften bereits geregelt und die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände arbeiten stets an einer Verbesserung der Bedingungen für Arbeitnehmende – wenn auch mit unterschiedlichen Ansichten. Ein Reporting für den sozialen Bereich zu erstellen bedarf daher zunächst einer Analyse, welche Daten dafür überhaupt vorhanden sind. Und wenn es dann gelingt, den sozialen Aspekt in Zahlen zu benennen und zu messen, ist es dann noch sozial? Unabhängig von Messwerten, die eine Basis für eine Transformation des eigenen Unternehmens im sozialen Bereich darstellen können, kommt dem sozialen Umfeld im Unternehmen eine sehr starke Bedeutung zu, die nicht einfach messbar ist. Mit dem Auslaufen der Corona-Pandemie wurden recht schnell die Rufe laut, die Mitarbeitenden müssten doch wieder ins Büro zurückkommen. Aber warum?

Trauten die Arbeitgebenden ihren Leuten vielleicht gar nicht? Wurden Arbeitsergebnisse nicht gemessen, sondern die im Unternehmen verbrachte Zeit spielte eine viel größere Rolle? Und was war das eigentlich mit dieser Work-Life-Balance? Dem Ruf zurück in die Büros kann man sich von einer anderen als der Misstrauensseite nähern. Dort, wo Menschen zusammenkommen, gemeinsam etwas schaffen und erschaffen, da entsteht Austausch und Innovation. Mit dem Weg in das Homeoffice wurde dieser Austausch massiv reduziert und ein Zoom- oder Teams-Anruf ist etwas anderes als der Moment an der Kaffeemaschine, in dem eine Frage einfach gestellt wird. Betrachtet man als Unternehmen die Arbeitsleistung eines Mitarbeitenden, dann kann Homeoffice für die Effizienz sogar eine deutlich bessere Lösung sein als der Büroarbeitsplatz. Der soziale Aspekt, der Austausch und die daraus entstehende Innovation wird jedoch massiv gebremst.

Die viel diskutierte Work-Life-Balance ist ein weiterer Aspekt, den es zu betrachten gilt. Kommen die Mitarbeitenden gerne in das Unternehmen, finden Arbeitsplätze vor, die attraktiv und gut ausgestattet sind, dann ist die Arbeit plötzlich durchaus angenehm. Eine Trennung von Work & Life ist immer auch eine persönliche Sicht der Dinge. Vielfach ist aber zu hören, dass Arbeit ein Teil des Lebens ist und damit nicht separat betrachtet werden sollte. Jedoch ist die Sinnfrage der eigenen Arbeit eine Frage, die sich immer häufiger gestellt wird und eine Frage, mit der Unternehmen in den kommenden Jahren stärker konfrontiert werden – gerade unter dem Aspekt der Digitalisierung und der damit möglichen Reduzierung von repetitiven Arbeiten.

Aber wie messen wir denn nun die soziale Komponente? Für alle genannten Bereiche ist es nicht einfach, Kennzahlen zu ermitteln.

Der erste Schritt sind Kennzahlen, die im Unternehmen vorliegen sollten:

  1. Überstunden pro Mitarbeitenden:

    Dies ist ein Indikator für die Arbeitslast.
    Ist die Arbeit in der geplanten Zeit zu schaffen?
    Habe ich alle Stellen so besetzt, dass keine Überstunden anfallen?

  2. Urlaubstagekonten:

    Ist es möglich, die Urlaubstage innerhalb eines Jahres zu nehmen?
    Mitarbeitende sind oft bereit, ihren Urlaub aufzuschieben, um die Arbeit zu schaffen.
    Auch hier ein Indikator für die eigene Planung.

  3. Fluktuationsrate:

    Kann ein Indikator für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sein.
    Wie viele Jahre bleiben Mitarbeitende im Unternehmen?
    Wie viele Kündigungen erhalten sie pro Jahr?
    Wie viele Mitarbeitenden kündigen sie pro Jahr?

  4. Gehaltsvergleich anhand von Tariftabellen:

    Prüfen sie, ob sie wirklich gut aufgestellt sind.
    Tarife werden erarbeitet, um ein faires Gehalt zuzusichern.
    Sie müssen das dann nicht mehr als Zusatzleistung in den Stellenanzeigen bewerben.

  5. Schwerbehindertenabgabe:

    Zahlen sie noch eine Schwerbehindertenabgabe?
    Dann haben sie noch keine Mitarbeitenden mit einer Behinderung eingestellt.
    Inklusion bedeutet, Arbeitsplätze für jeden zu schaffen und kann einen wesentlichen Faktor zur Zufriedenheit im Unternehmen sein.

Mit der Planung einer jährlichen, anonymen Mitarbeitendenumfrage kann zudem die subjektive Zufriedenheit im Unternehmen erfasst werden. Das Risiko einer solchen Umfrage sind natürlich Ergebnisse, die das Unternehmen nicht sehen möchte. Ehrliche Ergebnisse bieten aber die Möglichkeit, das Unternehmen nachhaltig sozial auszurichten. Gemeinsame sozial nachhaltige Aktivitäten können außerdem das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen und zwischen den Mitarbeitenden steigern. Wenn die Mitarbeitenden in dem Zusammenhang die Möglichkeit haben Vorschläge zur Aktivität einzureichen, ist eine hohe Beteiligung fast automatisch sichergestellt. Abschließend ist die Kultur und Führungskultur eines Unternehmens zu erwähnen. Diese gestaltet die soziale Komponente maßgeblich. Jedes Unternehmen hat Werte, an denen es sich ausrichtet. Diese Werte müssen täglich mit Leben gefüllt und in der Führung umgesetzt werden. Mitarbeitende stellen sehr schnell fest, ob diese Werte Worte sind, die in Hochglanzbroschüren zum ersten Arbeitstag verteilt werden, oder ob es gelebte Werte sind, die die Kultur des Unternehmens prägen. Peter F. Drucker hat in dem Zusammenhang den Ausspruch: „Kultur isst Strategie zum Frühstück“ geprägt.

Auch wenn es heute noch keine Maßgaben zum Reporting des „S“ im ESG-Report gibt, fangen sie direkt an. In jedem Unternehmen sind Daten vorhanden, die einen ersten Eindruck ermöglichen. Hinterfragen sie sich, ihren Führungsstil und die Kultur ihres Unternehmens. Ein Investment, zeitlich wie finanziell in die soziale Komponente ihres Unternehmens, wird sich langfristig nachhaltig auszahlen.

Über den Autor:

Sascha Dalig ist Hotelier, Keynotespeaker & Moderator. Mit einer klassischen Hotelfachausbildung hat er den Weg über verschiedene Individual- und Markenhotels von hoteloperativen Positionen bis zum strategischen Management der Hotelketten genommen. Er ist ausgebildeter Ausbilder, Trainer und Wirtschaftsfachwirt. Er kämpft für nachhaltige Entwicklung im ökologischen und sozialen Umfeld, ist Sachverständiger für die Ausbildungsneuordnung und aktiv im Prüfungsausschuss der IHK zur Unterstützung der Nachwuchssicherung. Seine Vision: „Technologie als Schlüssel zu einfachen und ganzheitlichen Reisen lässt Gastgeber wieder Gastgeber sein. Die Kommunikation zwischen Gästen und Teams wird weniger Prozess und mehr Austausch werden. Optionen werden geschaffen, um Gästen und Teams neue Möglichkeiten zu geben, und die menschliche Komponente wird gestärkt.“ 

Sascha Dalig

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